Als letzte Woche von Microsoft Learning verkündet wurde, dass die Zertifizierungen rund um die Entwicklung von Lösungen für SharePoint 2013 on premise (und damit auch perspektivisch 2016 on premise) im September 2016 abgeschafft bzw. aus dem Gesamtkatalog entfernt werden, sorgte das in der weltweiten Community für einigen Aufruhr. Zwar gibt es gewissermaßen Ersatz, allerdings geht dieser doch deutlich in eine andere Richtung
Das Prozedere mit den SharePoint Developer-Zertifizierungen kennt man eigentlich schon eine ganze Weile: Da gibt es die beiden Solution-Zertifizierungen, die sich weitestgehend an IT-Pros und Architekten wenden und neben ein paar anderen Webbaustellen noch die beiden Kawenzmänner für Entwickler. Aktuell sind dabei
- 488: Developing SharePoint Server 2013 Core Solutions
- 489: Developing SharePoint Server 2013 Advanced Solutions
diejenigen, auf die insbesondere SharePoint-Entwickler ein Auge gehabt haben dürften. Zum einen ermöglicht die erfolgreiche Zertifizierung über dieses Paar an Prüfungen ein MCSD- bzw. MCP-Sternchen an der virtuellen Brust, zum anderen ist diese Zertifizierung ein gern genommener Rettungsanker für die Reprofilierung von Microsoft Partnern, die sich im Umfeld von SharePoint aufhalten und gerne die Annehmlichkeiten dieses Status in Anspruch nehmen: Lizenzen, Partnergeschäft, das übliche eben. Neben fast der Hälfte der existierenden MCSD-Programmen – hier insbesondere bemerkenswert, dass die Develoment-Exams für die Windows Store Apps ebenfalls gestrichen werden – kommen also auch die SharePoint-Titelchen auf die Ehemaligen-Tafel.
Ersatz
Das blieb nicht unbemerkt und wurde durch die SharePoint-Community größtenteils mit Erstaunen und auch Unverständnis aufgenommen, erst recht, da es keinen Ersatz für die bisher immer noch aktuelle SharePoint-Version gibt und auch keine Ankündigung für SharePoint 2016-Exams die Meldung flankierte. Viele Reaktionen wie z.B. bei Vlad Catrinescu befassten sich damit und die Reaktion seitens Microsoft machte es nicht unbedingt besser:
In the area of Office (including SharePoint) app development, there is a growing interest in Office365 apps and we are adjusting the certification path accordingly. As the existing MCSD: SharePoint developer path relies heavily on Web Application development skills, we are moving to a model where individuals would earn their MCSD: Web Applications credential, and, then, choose to specialize in Office365 app development with a single, new Specialist exam. This new exam is currently under development and more details will be shared once available.
Das bedeutet also, dass die Fokussierung auf SharePoint Online im Rahmen von Office 365 und dem App Model auch in diesem Bereich weiter nach vorne getrieben wird, auf jeden Fall bedeutet es aber, dass serverseitiger Code einfach keine Entsprechung auf Zertifizierungsseite mehr hat. Bestehende Zertifizierungen und MCSD-Titel behalten natürlich weiterhin ihre Gültigkeit, ab September interessiert es halt keinen mehr so richtig.
Die grundsätzliche Idee ist dabei ja gar nicht so schlecht: In Kombination mit den allgemein gültigen Webtechnologie-Zertifizierungen wird das Pferd von hinten aufgezäumt, der Qualifikant erwirbt die Bestätigung, dass er sich grundsätzlich mit all dem MVC-Zeug und Artverwandtem auskennt:
- 70-480: Programming in HTML5 with JavaScript and CSS3
- 70-486: Developing ASP.NET MVC Web Applications
- 70-487: Developing Microsoft Azure and Web Services
Er kann sich also sicher entwicklungstechnisch in dem bewegen, was man braucht, um jegliche Art von Apps zu entwickeln und zum Leben zu erwecken (Deployment ist hier noch mal eine ganz andere Geschichte). Nun wird sich also gerade etwas erdacht, was zusätzlich sagt: Apps für SharePoint bzw. Office 365 kann dieser Teufelskerl auch, sapperlott. Diese Hochstufung bzw. Spezialisierung macht dabei vor allem deswegen Sinn, da sich Web-Technologien bei Microsoft nicht mehr unbedingt auf SharePoint konzentrieren, dafür passiert bei Azure aktuell viel zu viel. Und wenn ich mal ganz ehrlich bin, sehne ich mich nicht unbedingt zu den Projekten zurück, bei denen ich wie ein Irrer auf dem serverseitigen Objektmodel herumgerührt habe. Monolithische Applikationsblöcke innerhalb des w3wp-Prozesses, der im ungünstigen Fall ganze Frontendserver in die Knie zwingt, sind alles außer elegant. Und nach und nach wird sich das auch auf den Farmen herumsprechen, die bis heute keine funktionierende App Management Service Application haben.
Der reale Zustand
Aber wenn man sich dann mal ganz ehrlich anschaut, wie insbesondere hier in Deutschland die Serverfarmen weitestgehend aufgebaut sind und betrieben werden wollen (die typischen Argumente von Compliance über Datensicherheit bis Patriot Act sich bitte hier denken), geht insbesondere bei kleinen Installationen nach wie vor kein Web an Farm Solution vorbei. Nicht jeder Mittelständler hat die Budgets, sich ins große Experimentierfeld App-Entwicklung zu begeben, dafür haben sich in den letzten zehn Jahren die Entwicklungsmuster der typischen xyz-Management-Solutions für den on premise SharePoint Server etabliert. Und auch bei den anstehenden Migrationen nach SharePoint 2016 werden viele scheuen, den Aufwand einer kompletten Neubetrachtung der Applikationslandschaft auf dem SharePoint zu investieren. Also werden wir auch die nächsten zehn Jahre noch irgendwo mit Farm Solutions leben. So wie wir es heute noch mit der Seuche InfoPath tun, die einfach nicht totzuschlagen ist.
Gerade deswegen ist das rigorose Streichen der dazu gehörigen Zertifizierungen in meinen Augen übers eigentliche Ziel hinausgeschossen. Microsoft tut sich keinen Gefallen damit, real existierende Quasi-Standards aus der eigenen Welt herauszuradieren als gäbe sie es in dieser Form nicht. Zertifikate dienen ja nicht nur dem persönlichen Schmuck des Einzelnen und als Baustein der oben genannten Rezertifizierungen, sondern auch dem Endkunden, der sich Personal oder Dienstleister ins Haus holt und zumindest einen Fingerzeig haben möchte, dass der Betreffende zumindest schon einmal grob vom Thema gehört hat auch wenn es durchaus manchmal zweifelhafte Umstände sind, die zum Bestehen der Prüfungen geführt haben. Ein einfaches Wegstreichen hilft da nicht weiter, zumal das Hinzufügen einer neuen Kompetenz ohne Wegfall der alten ebenso leicht hätte realisiert werden können.
Ob das nun das Startsignal ist, die Zertifizierung noch zu machen solange es sie gibt, ist ambivalent und sicherlich von persönlichen Zielen, Zielen des Arbeitgebers und das Umfeld der Arbeit bzw. des Projektgeschäfts abhängig. Wer seine Finger immer noch oder immer mal wieder in serverseitigem SharePoint-Code hat, sollte zumindest noch einmal drüber nachdenken. Beschäftigt man sich ernsthaft mit einer Vorbereitung anstatt gekaufte Fragenkataloge auswendig zu lernen, hat man aus eigener Erfahrung trotz all dem Projektgeschäft aus den letzten zehn Jahren doch den ein oder anderen Aha-Effekt dabei.
Funfact am Rande, der hier ins Bild passt: Auf der verlinkten Seite der angedachten Retirements findet sich unter SharePoint immer noch keine der beiden Zertifizierungen. Stattdessen tauchen sie unter Visual Studio und .Net auf (sic).
2 thoughts on “SharePoint Developer-Zertifizierungen „retired“ – Und jetzt?”
[…] habe ich diese Nachricht gerade in einem Blogbeitrag, auf den ich durch Zufall bei Xing aufmerksam geworden […]
Just notes… » Blog Archive » Keine SharePoint Developer Zertifizierungen mehr
[…] habe ich diese Nachricht gerade in einem Blogbeitrag, auf den ich durch Zufall bei Xing aufmerksam geworden […]
Keine SharePoint Developer Zertifizierungen mehr – Just notes…